Marketing im Dialog II: Pandemie - der Kampf mit dem Erreger und der Erregung

02.03.2021 // Marketing-Club Bergisch Land // Digital

Marketing im Dialog II: Kristenmanagement = Changenmanagement

Im Februar vergangenen Jahres startete der Marketing-Club Bergisch Land mit großem Erfolg sein Sonderformat „Marketing im Dialog“ im damals neu eröffneten NinetyNine Hotel am Elberfelder Kasinokreisel – dann kam Corona. Nun gab es die zweite Auflage, und die Pandemie verhinderte nicht nur eine so lange erwartete Präsenzveranstaltung, sie war auch Thema am Abend des 2. März 2021.

Club-Präsident Patrick Hahne begrüßte die Teilnehmer draußen an den Monitoren aus der 19. Etage des Sparkassenturms. Mit der Veranstaltung, so Hahne, wolle der Marketing-Club einen Dialog anstoßen: „Wir wollen nachdenken, wir wollen aber vor allem auch vorausdenken.“

Zugeschaltet in der als Webinar gestalteten Veranstaltung waren der Referent des Abends, Stephan Grünewald, sowie für die Unternehmerrunde Katrin Becker, Center Managerin der City Arkaden in Elberfeld, und Colja M. Dams, Geschäftsführer der VOK DAMS Events & Live-Marketing. Die Runde wurde vervollständigt durch Christian Busch, Geschäftsführer der Walbusch Walter Busch GmbH & Co. KG aus Solingen, Ralf Putsch, Geschäftsführer der KNIPEX-Werk C. Gustav Putsch KG, und dem Moderator des Abends, Prof. Lambert T. Koch, Rektor der Bergischen Universität Wuppertal, die – natürlich in gebührendem Abstand – Patrick Hahne in der Sparkasse hoch über der Elberfelder City Gesellschaft leisteten.

Zwei seiner Bücher, so Prof. Koch bei der Vorstellung von Stephan Grünewald, habe er schon gelesen. Eines davon, „Die erschöpfte Gesellschaft“, hatte der Marketing-Club Bergisch Land schon 2014 zum Anlass genommen, den Diplom-Psychologen als Vortragenden einzuladen.

Grünewald ist Mitbegründer des Kölner rheingold Instituts, das auf Basis der morphologischen Psychologie Marktforschung betreibt, und Mitglied des von Ministerpräsident Armin Laschet einberufenen Expertenrats Corona.

Corona, begann Grünewald, sei für die Menschen eine Ohnmachtserfahrung. Vor der Pandemie gefühlt allwissend und allmächtig, seien sie nun mit einer Bedrohung konfrontiert, die sinnlich nicht zu erfassen sei und sie in eine Handlungsunfähigkeit treibe, die zu Auswegen in die Baumärkte oder die Supermarktgänge mit Klopapier und Nudeln getrieben habe. Und seien anfangs noch alle vereint gewesen im Kampf gegen die Pandemie, so bröckelt der Schulterschluss nun. Die Endlosschleife des Lockdown mit seinen Verlängerungen polarisiere, täglich grüße es, das Murmeltier.

Die geforderte Passivität des Lockdown werde löchrig: „Es entsteht ein Schatten-Alltag mit Vitalitätsdurchbrüchen, der die geforderte Kontaktreduzierung konterkariert.“ Auf der anderen Seite werde die nötige Aktivität für das Ziel einer Prophylaxe gehemmt. „Man arrangiert sich mit der Lebensform des Lockdown, das Nichtstun wird glorifiziert, sogar in einem Spot der Bundesregierung.“

„Wir können anders!“

Innovationsgeist und Erfindungsreichtum für Konzepte beim ersten Shutdown würden gar als Gründe und damit als Schuldige für die zweite Welle gesehen.

Grünewald sieht darin die Gefahr eines unproduktiven Teufelskreises aus Endlos-Diskussionen. Dabei gebe es eine Reihe positiver Trends und einen Wandel von Werten in Privat- und Berufsleben und Ökonomie, die die Zeit nach Corona beeinflussen können und werden – zumeist positiv. Grünewald nennt da unter anderem die Rückkehr zum Bewährten, eine Renaissance des DIY, eine neue Work-Life-Balance, die Digitalisierung und die Emanzipation vom Kollektiv durch Home-Office und die Entstehung einer neuen Führungskultur, eine neue Sinn-Ausrichtung statt eines Höher, Schneller, Weiter und ein Hin zu Nachhaltigkeit und einer Sinn-Gebung. Dies alles führe zu einer Veränderungszuversicht. „Wir können auch anders!“ Dieses Bewusstsein gelte es schon heute zu nutzen, schloss der Psychologe. Denn Gewinner, so Grünewald in der anschließenden von Prof. Koch moderierten Fragerunde, seien diejenigen, die in der Krise das Leben neu denken.

Wie aber ist es den bergischen Unternehmern in der Pandemie ergangen?

Katrin Becker ist froh, dass in ihrem Einkaufscenter das Mieterspektrum vielschichtig ist und die rund 15 Geschäfte zur Grundversorgung geöffnet sind. Es gebe wegen des Lockdown noch nicht einmal Anlässe zum Modekauf: „Die dort entstandenen Verluste werden nicht mehr aufgeholt.“ Natürlich werde auch viel online eingekauft. Digitalisierung sei das Gebot der Stunde. Becker bedauerte an dieser Stelle auch diejenigen Mitglieder der Online City Wuppertal, die die Digitalisierung ihres Angebots nicht konsequent umsetzen konnten. Positive Entwicklungen sieht sie für Franchisenehmer und erwartet eine Orientierung zum Erlebniseinkauf.

Christian Busch ist voller Demut und Respekt für seine Mitbewerber und die großen Probleme. Doch seine Walbusch-Gruppe sei nach anfänglichen Verlusten gut durch die Krise gekommen. Kein Wunder, denn der Fokus des Hemdenspezialisten liegt seit jeher auf dem Versandhandel und weniger auf dem Filialgeschäft. Er sieht daher auch eine Renaissance der Kataloge, die Walbusch monatlich verschickt: „Ich glaube, die Menschen lieben die Geschichten rund um unsere Produkte.“ Allerdings erinnert sich Busch an das mehr als mulmige Gefühl beim Erscheinen des neuen TV-Spots mit dem Motto „Für alle, die was vorhaben“ – just zu einem Zeitpunkt, als dies ziemlich unmöglich gemacht wurde …

Für die Unternehmenskultur sei es von Vorteil gewesen, so Busch, im ständigen E-Mail-Kontakt mit seinen Mitarbeitern gestanden und sie jederzeit darüber informiert zu haben, wo das Unternehmen stehe.

Live + Digital = Hybrid

Für die Eventagentur VOK DAMS fiel natürlich das Live-Marketing erst einmal weg – und das weltweit. Doch war man gut gewappnet, denn schon vor Corona wurde hier an digitalen Umsetzungen von Events gearbeitet, und Hybrid Events entwickelt, die durch die Pandemie einen regelrechten Boost erfahren. Rund 700 derartige Hybrid-Veranstaltungen hat die Agentur in der Corona-Krise mittlerweile entworfen und betreut und dabei ganz neue Experience-Formate entwickelt.

Auch in Corona-Zeiten werden Zangen verkauft. KNIPEX-Zangen auf jeden Fall. Natürlich, so Geschäftsführer Ralf Putsch, habe es im letzten Frühjahr Umsatzeinbußen gegeben, aber schon im Juni seien die Zahlen wieder gestiegen, und 2020 sei mit einem kleinen Plus abgeschlossen worden. Der Lockdown der Baumärkte sei nicht relevant, dort sei KNIPEX nicht vertreten. Qualität und Innovation könne man im Internet viel besser präsentieren, und vor allem die Privatanwender hätten die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Und mit dem Unternehmen zu kommunizieren, weshalb man das Online-Marketing auf den Sozialen Medien sehr verstärkt habe. „Die Online-Shops werden bleiben“, ist sich Putsch sicher. Gespannt aber ist er auf die Entwicklung der Machtverhältnisse zwischen Industrie und Handelsriesen wie Amazon und einem eventuellen Hin zum Direktvertrieb.

Krisenmanagement ist gleich Chancenmanagement, schlussfolgerte Prof. Koch aus den Statements der bergischen Unternehmer, die sich auch darüber einig sind, dass die Zukunft eine andere sein werde. „Die Innenstädte werden und müssen sich verändern“, meint Katrin Becker. Colja Dams sieht neben ganz neuen Kommunikationsformaten die Bedeutung dezentraler Events in einer höheren Taktzahl wachsen. Ralf Pusch erwartet neue Kanäle und neue Software für die digitale Kommunikation, aber auch Probleme im digitalen Miteinander. Diese sich ändernde Kommunikation und eine geänderte Führungskultur werden insgesamt einen Kulturwandel bedingen, glaubt Christian Busch.

Mut gemacht habe dieser Abend, so Club-Präsident Patrick Hahne zum Abschied. „Nehmen Sie die Impulse mit“, so seine Aufforderung zum Abschluss einer sehr gelungenen und positiven Veranstaltung, die den Zuschauer ein wenig optimistischer zurückließ.

Referent(en)

Stephan Grünewald: Geschäftsführer des Rheingold Instituts

Colja M. Dams: Geschäftsführer der VOK DAMS Events GmbH

Christian Busch: Geschäftsführer der Walbusch Walter Busch GmbH & Co. KG

Ralf Putsch: Geschäftsführer der KNIPEX-Werk C. Gustav Putsch KG

Katrin Becker: Center Managerin der City Arkaden Wuppertal