Multisensorisches Marketing – Das Katerfrühstück nach dem digitalen Rausch

21.02.2019 // Ford Jungmann // Wuppertal

Über das Marketing der Sinne

Vor ziemlich genau einem Jahr trafen sich Mitglieder und Gäste des Marketing-Clubs Bergisch Land in den Räumen des FordStore der Werner Jungmann GmbH & Co.KG, und damals ging es um Digitales Marketing. Doch der digitale Rausch sei vorbei, Marketing sollte multisensorisch sein – so das Thema an diesem Abend des 21. Februars.

Geschäftsführer und Gastgeber Marcus Jungmann begrüßte die mehr als 60 Teilnehmer der Veranstaltung. Seine Branche stehe vor großen Veränderungen und Herausforderungen, so Jungmann: "Ist das Auto ein Produkt von gestern?" Die neue Bedeutung der Mobilität bedeute auch einen Wandel des Marketings.

Als Referenten des Abends stellte Jungmann Olaf Hartmann vor. Hartmann ist Gründer und Geschäftsführer sowohl des Multisense Instituts für multisensorisches Marketing als auch der Agentur für haptische Markenkommunikation Touchmore, beide ansässig in Remscheid.

Die Effizienz von digitalem Marketing werde überschätzt, so zeigte Hartmann gleich zu Beginn seines Vortrags auf. Die amerikanische Bank JPMorgan beispielsweise habe 98 Prozent ihrer digitalen Werbeschaltungen eingespart, ohne dass dies einen nennenswerten Negativeffekt gehabt hätte. Und auch die Daten sprechen für die klassischen Kanäle TV, Radio, Zeitungen oder Magazine. "Das Gehirn liebt Print", weiß Hartmann, die Hirntätigkeiten sind beim Lesen am Bildschirm deutlich geringer. Der Hemdenhersteller OLYMP etwa konnte seinen Umsatz allein mit seinen Beiheftern in Printmedien in den letzten zehn Jahren fast verdreifachen.

Zum Marketing gehören die Analyse, die Strategie, die Taktik und die Wahl der Kanäle. Dabei gilt: Je größer die Zahl der genutzten Kanäle, desto mehr steigt der Return on Invest – Cross Media also.

Anreize für das Unterbewusstsein

Dabei müsse man wissen: "Ihr Gegner ist nicht Ihr Wettbewerber, sondern das Desinteresse Ihrer Kunden." Dieses eben müsse überwunden werden. Die Kunden aber entscheiden nicht rational. Bewusst nimmt unser Gehirn nur 40 Bits pro Sekunde wahr, unbewusst in derselben Zeit aber elf Millionen Bits. Dieses Unterbewusstsein also braucht Anreize, und je mehr Sinne dabei angesprochen werden, desto aktiver arbeitet es in unserem Kopf. Dabei spielen visuelle Reize eine Rolle, beispielsweise Farben und deren Sättigung, auditive wie Musik, vor allem aber haptische, denn, betonte Hartmann: "Unser Gehirn liebt Haptik." Das Berühren und Ertasten bleibt der wichtigste unserer Wahrnehmungssinne. Wie Haptik innerhalb des multisensorischen Marketings wirkt, zeigte Hartmann anhand des von Ihm mitentwickelten A.R.I.V.A.-Modells. A.R.I.V.A. steht dabei für Attention, Recall, Integrity, Value und Action. Übersetzt heißt das: Haptik intensiviert die Aufmerksamkeit, aktiviert die Erinnerung, erhöht die Glaubwürdigkeit, steigert die Wertwahrnehmung und verstärkt die Handlungsbereitschaft. An vielen, teils verblüffenden, teils genialen, aber sehr überzeugenden Beispielen veranschaulichte Hartmann die Bedeutung der Haptik. Dass ein ganz einfacher USB-Stick, wie ihn Audi versendete, wesentlich mehr – oder überhaupt – "Action" generiert als ein QR-Code. Oder dass, am Beispiel von AIDA, ein nach Sonnencreme duftendes kleines Handtuch im Umschlag einen ganz anderen "Recall" hat als ein einfacher Wiedereinladungsbrief.

Es gab viel Applaus für Olaf Hartmann und dessen interessanten, unterhaltsamen und lehrreichen Vortrag, der tatsächlich keine Fragen offenließ – der aber viele der anwesenden Marketingspezialisten dazu bewegt haben wird, ihre Strategien zuüberdenken.

Zum Dank und als Anerkennung überreichte Petra aus dem Siepen – in Vertretungdes verhinderten Club-Präsidenten Erich Giese – einen hochwertigen Schraubendrehersatz von HAZET an Olaf Hartmann.

Und dann ging es für alle nach draußen. Denn wie schon im letzten Jahr hatte Marcus Jungmann einen Imbisswagen vor die Tür seines Hauses stellen lassen, der einlud zu Pommes frites und leckerer Currywurst.

 

Inhalt

Der Mensch ist ein multisensorisches Wesen – ausgestattet mit einem Gehirn, das multisensorische Signale schneller erfasst, eher glaubt und länger behält als "ein-sinnige". Schlau ist, wer sich das zunutze macht. Dreiviertel aller multisensorisch kommunizierenden Marken sind Powerbrands. Gleichzeitig erfüllen sich die glitzernden Heilsversprechen digitaler Marketingpropheten nur zum Teil. Aktuelle Erkenntnisse der Neurowissenschaften erklären warum das so ist, welche Kraft die Haptik in digitalen Zeiten hat und wie multisensorisch optimierte Kommunikation wirkt.

Referent(en)

Olaf Hartmann, Gründer und Geschäftsführer des Multisense Instituts, ist Spezialist für sensorisches Marketing. Zusammen mit dem Konsumentenpsychologen Sebastian Haupt schuf er das ARIVA-Werbewirkungsmodell und schrieb mit "Touch" ein Standardwerk des multisensorischen Marketings. Hartmann begann seine Karriere in der internationalen Werbung der Bayer AG, war sieben Jahre lang Referent am Institut für Betriebswirtschaft der Universität Sankt Gallen, gründete 1995 in Remscheid die auf haptische Markenkommunikation spezialisierte Agentur Touchmore und ist seit 2009 Mitglied in der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens. Das Multisense Institut berät Firmen wie TUI, die Deutsche Bahn, den Hautpflegespezialisten Dermasence – Gewinner des "Best of DMV" Marketingpreises – sowie verschiedene Sparkassen und Versicherungen.