Digital präsent, lokal verwurzelt - Chancen für den regionalen Einzelhandel und eine lebendige Innenstadt

14.04.2021 // Stadtsparkasse Wuppertal // Wuppertal

Bliggen statt googeln!

Zum virtuellen Treffen des Marketing-Clubs Bergisch Land am 15. April 2021 meldete sich Club-Präsident Patrick Hahne aus dem 19. Stock des Sparkassen-Turms. Mit seinen Gästen diskutierte er zum Thema „Digital präsent, lokal verwurzelt – Chancen für den regionalen Einzelhandel und eine lebendige Innenstadt“, wie das Einkaufen aussieht – vor, mit und nach Corona.

Für die Gesprächsrunde hatte sich Hahne kompetente Teilnehmer an die Seite geholt. Ronja Fechner vom traditionsreichen Schmuckhaus Brocker schilderte die Situation aus der Sicht des Einzelhandels. Prof. Dr. Stephan Zielke als Lehrstuhlinhaber für Multi-Channel-Management vertrat Forschung und Lehre. Und Holger Hammes als Geschäftsführer von Bliggit möchte mit seiner App nicht nur den Wuppertalern die verschiedenen Facetten dieser Stadt näherbringen.

Für Zielke ist es wichtig, dass die Einzelhändler in diesen Zeiten die verschiedenen Kanäle mit den Funktionen verknüpfen und in ihr Geschäft integrieren. „Die Kunden nutzen diese Kanäle, und sie erwarten das Angebot auch vom kleineren Einzelhändler“, so Zielke. Hammes möchte mit der App die Unternehmen dabei unterstützen, sichtbarer zu werden. Mit der Plattform Bliggit soll ein zentraler Zugang für die Nutzer geschaffen werden, der die verschiedenen Player in der Stadt verbindet. Aktuell sei das Angebot über Corona-Testzentren und -termine besonders nachgefragt. Ronja Fechner musste angesichts der – oder des – Lockdowns neue Wege und Strukturen finden, um die Kunden zu erreichen. Überarbeitung des Online-Shops und der Warenwirtschaft waren nötig, mehr Zeit und Präsenz auf den Social-Media-Kanälen gefordert. „Wir nutzen das Feedback der Kunden für unsere Entwicklung“, sagt sie. Neu ist auch die Einrichtung eines Shops für Secondhand-Schmuck und -uhren. „Online funktioniert nur mit Offline“, ist sich Zielke sicher. Denn der stationäre Handel dominiere auch weiterhin. Corona beeinflusse zwar das Kundenverhalten. „Aber die Menschen wollen wieder lokal einkaufen, gemeinsam mit Freunden, und den Service wahrnehmen.“ Fechner stimmt zu: „Die Leute wollen den Bummel wieder genießen!“ Aber: „Mit Click & Collect und der Beschäftigung mit unserem Geschäft im Netz lernen uns die Kunden auch besser kennen.“ Kaufkraft sei da in Wuppertal, meint Zielke und erinnert an das Projekt Online City Wuppertal, das auch wegen fehlender Budgets für Werbung zu wenig bekannt sei. Es brauche Push-Strategien.

Virtueller Stadtbummel

Die glaubt Hammes zu haben. „Bliggit orientiert sich von den Menschen aus und bietet einen 360°-Inhalt. Wir wollen die Contentschätze dieser Stadt heben und Sichtbarkeit erzeugen mit einer Anlaufstelle.“ Es sei kein Fehler gewesen, mit der App in diesen Zeiten zu starten. „Wir bieten viele Infos zu Corona. Und die Unternehmen haben Zeit, sich digital weiter zu entwickeln.“ Das aber sei nur eine Ergänzung zur Kommunikation, Hammes glaubt an den stationären Einzelhandel. „Auch mit ihm wollen wir das Gesamterlebnis Stadt darstellen!“ Auch Brocker ist bei Bliggit vertreten. „Wir verfolgen die Entwicklung. Wir stellen uns dort vor, sind verlinkt, das führt zu Kommunikation mit den Kunden.“ Fechner lobt die große Erreichbarkeit.

Auch Zielke hält Bliggit für ein „gelungenes Projekt“, einen „virtuellen Stadtbummel“.
Darüber hinaus gibt es Infos über Benzinpreise, Müll, das Wetter und zur Verwaltung der Stadt Wuppertal. Aber da sei noch viel Potential nach Corona, zum Beispiel Taxi und ÖPNV. „Man muss sich mit der App beschäftigen“, sagt Hammes. Weniger suchen, dafür aber mehr finden.

Fashion Mirrors und Service-Roboter

Fechner freut sich über gut informierte Kunden in den fünf Brocker-Läden. Aber die Haptik sei wichtig, der persönliche Service werde bleiben. Das sieht auch Zielke so: „Mit neuen Technologien wird der stationäre Handel neben dem digitalen bestehen bleiben.“ Dazu gehören die schon bekannten QR-Codes, aber auch digitale Schaufenster, sogenannte Fashion Mirrors oder Service-Roboter. „Der digitale Einkauf ist ja eigentlich langweilig.“ Und: in Corona-Zeiten hätten die Kunden festgestellt, dass erstens Amazon nicht günstiger ist und das zweites es auch andere Händler im Netz gibt. Zielke warnt allerdings vor Preisdifferenzierung off- und online. Dem stimmte Fechner zu. Das heikle Thema „Online-Bewertungen“ führte dann zum ebenso heiklen Thema Datenschutz. Ersteres leidet an Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Und das „Kennenlernen“ seiner User bei Bliggit kann individuell abgelehnt werden. „Der Kunde muss das wählen dürfen“, betont Zielke, bedauert jedoch die Ambivalenz der Deutschen beim Datenschutz. „Eine bestimmte Datenfreigabe kann auch einen Nutzen erzeugen.“

In jedem Fall, da sind sich alle drei einig, ist die Arbeit am digitalen Auftritt und die Verknüpfung der verschiedenen Kanäle aufwendig und zeitintensiv – zumal man betriebswirtschaftlich nie genau wissen könne: „Was bringt das eine, was das andere“, weiß Fechner. Zumal das zu Fehlentscheidungen führen könne, stimmt Zielke zu.

Wie und wo aber wird man es kaufen, das Muttertagsgeschenk im Mai 2031, fragte Hahne in die Runde. Auf jeden Fall stationär, ist sich Fechner sicher. In hoch technisierten Geschäften, erwartet Zielke. Vorher aber wird man das Geschenk bliggen – nicht googeln, hofft Hammes.

Damit schloss eine muntere und sehr spannende Gesprächsrunde, souverän moderiert vom Club-Präsidenten, der nicht vergaß, auch den Mitgliedern und Gästen für ihre Teilnahme zu danken – auch wenn es wieder einmal nur ein virtueller Abend sein durfte.

Referent(en)

Prof. Dr. Stephan Zielke: Bergischen Universität Wuppertal Lehrstuhl für Multi-Channel-Management

Holger Hammes: Geschäftsführer Bliggit

Ronja Fechner: Schmuckhaus Brocker